11 de septiembre oder die Transtextualitaet [Intertextualitaet?] der Erinnerung
(Publiziert in der Kompilation “Imagen, política y memoria” (Bild, Politik und Erinnerung), Universitaet Buenos Aires, Oktober 2002)
Was mir blieb, war die Feststellung, dass ich niemals diesen Moment ueberwinden wuerde, niemals die Vision des anderen wiedererlangen wuerde, welches meine Kindheit begleitet hatte
C. A.
pointes de présent, et nappes de passé
Gilles Deleuze
Der ursprüngliche Beweggrund für die Realisierung dieses Videos erwuchs aus der Idee, den medialen offiziellen Diskurs zu brechen, sich auf den Einbruch des Öffentlichen in den privaten Raum über den Weg der Wiederholung zu beziehen, was gleichzeitig zur Banalisierung des Ereignisses führt, und schliesslich: ich wollte von einer besonderen Erinnerung sprechen: Beim Sehen des einen [Ereignisses] kann ich es nicht unterlassen, mich an das andere [Ereignis] zu erinnern.
Ohne Zweifel ist das einflussreichste Mittel, um in der zeitgenoessischen Gesellschaft Sinn zu erzeugen, das Fernsehen in all seinen Formen (Nachrichtensendungen, Reportagen, Diskussionsrunden, reality shows usw.). Innerhalb dieses Apparates ist die effektivste, und vielleicht die in der öffentlichen Meinung am meisten geschaetzte Form die der Nachrichten und Reportagen, die Information verbreiten und “Objektivitaet” konstituieren: Sie setzen das Individuum in Bezug zur Welt und ihren Geschehnisse. Die Geschwindigkeit, mit der diese Nachrichten uebermittelt werden, besonders die Gleichzeitigkeit der Transmission über Satellit und der live-Übertragung,die „Nuechternheit“ der Kameraeinstellungen und das System der Interviews, bestimmen diese so genannte “Transparenz”, mit der sich das System artikuliert. All dieses bestärkt die Idee, die besagtm, dass man weiss, was in der Welt geschieht, also die Idee zu glauben, dass man das, was in der Welt geschieht beherrscht.
Gerade die Selbstzelebrierung, mit der das Fernsehen und das journalistische System ihre “Objektivitaet” feiern, macht aus ihnen die beste Plattform fuer das Fundieren von moralisierenden und globalisierenden Diskursen, die in der öffentlichen Meinung und im Individuum als Zuschauer Sinn produzieren. Dieses Video war urspruenglich als ein Versuch gedacht, diese Form der Diskursbildung, diese Form der Sinn-Produktion zu hinterfragen, sie aus moralischen und formbildenden Stigmata herauszuheben, um so einen Ort für die Erschaffung eines eigenen imaginären Raumes wiederzubesetzen: Die Etablierung eines medialen Dialoges auf anderen Bewusstseins-Ebenen.
Von dieser Basis ausgehend, konstituiert sich das Video im Wesentlichen aus dem Alternieren von Bildern, die sich aus folgenden drei Quellen speisen:
Bilder der Bombardierung der Moneda, des chilenischen Regierungspalastes in Santiago, am 11. September 1973, aus La Batalla de Chile von Patricio Guzmán
Nachrichtenbilder vom Attentat auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001.
Auszüge aus Hiroshima mon Amour, dem Film von Alain Resnais von 1959, nach dem Drehbuch von Marguerite Duras.
Durch die Zusammensetzung dieser Fragmente lassen sich jene Erinnerungs-Orte untersuchen, in denen sich die Spuren von individuellen oder kollektiven Tragödien einschreiben, wobei sich der mentale Raum konstituirt. Wie Pierre Samson als grundlegende Fundktionsweise für Hiroshima mon Amour vorschlägt: „das In-Perspektive setzen von verschiedenen Arten von Bildern in das Feld des Gewissens”.
Beim Gegeneinanderhalten dieser Bilder verschwinden die klaren Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Obwohl die Bilder der Zerstörung des 11. September das Vorherrschen der einen über die anderen zu etablieren suchen, werden diese Grenzen oder Überlegenheiten durch die Intervention mit dem Bild der sich liebenden Körper aus Hiroshima mon amour anulliert.
Die Montage ist an dieser Stelle – um Pierre Beylot zu parafrasieren – mehr einer mentalen Logik als einer objektiven Chronologie geschuldet.
Fragmentierung und Kontinuität widersprechen sich nicht, sondern sind Korrelate einer selben Bewegung, die der Erinnerung.
Stärker aber noch als die Bilder, die immer einen gewissen Grad einer referentiellen Autonomie bewahren (Facts are facts), kondensiert das Wort Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und synthetisiert Erinnerung und Vergessen: über die Stimme aus dem Off wird die Umkehrbarkeit und Austauschbarkeit des Erinnerns und des Vergessens akzentuiert.
In seinem Essay über die Montage als Verbindung zwischen Realitaet und Fiktion, schlägt Pierre Samson die Idee der Vergangenheit als eine Art Prä-Existenz einer relativen Gegenwart vor, da die Gegenwart nur als ewige Vergangenheit existiert.
In Hiroshima mon Amour überlagern” sich der japanische und der deutsche Liebhaber der Protagonistin, “…comme pour lui, il gagnera ta voix (…) comme pour lui, il triomphera de toi toute entière, peu a peu…”. In 11 de septiembre, benutzt ein Bild das andere, um in diese relative Gegenwart einzutreten, die gleichzeitig die Schichten der Vergangenheit ausdehnen. Wie Deleuze sagte, setzt die Erinnerung “ein Kontinuum in Bewegung, welches sich ohne Unterlass transformiert und fragmentiert, nach Neuzusammenzetzungen, die das Bewusstsein vorschreibt. Die Erinnerung setzt eine Bewegung verschiedener Schichten ins Spiel, die von den Verkettungen der travellings in ihrer Permamenz und in ihren Metaphern gezeigt werden.“
Es ist genau diese Idee//Vorstellung einer relativen Gegenwart, in der ich die Art der Montage und der Interaktion der Bilder situieren moechte – Bilder aus Archiven, Bilder, die schon im Inneren diskursiver Konstruktionen existieren.
Anfänglich erscheint es uns so, dass ein Gehschehniss, ein Bild, das andere produziert, die andere Tragödie mit sich führt. Aber die Idee ist es nicht, hier zu verharren, sondern zu versuchen die Mechanismen mit denen sich eine bestimmte Architektur des Erinnerns bildet, in eine bestimmte Ordnung zu setzen. Wenn gleich die Ereignisse von New York die Ereignisse von 1973 in die Gegenwart bringen, verlagern diese sich und schreiben sich in die Gegenwart ein. Es ist in diesem Moment der Interaktion, wo die Vorkommnisse von 2001 den Ort der anderen Ereignisse einnehmen, den Ort der Erinnerung oder die sogenannten Schichten der Vergangenheit.
Das Video beginnt mit einem Fade-In, einem Einzoomen auf die brennenden Türme New Yorks; ein Bild, das sich verengt und einem anderen Bild Raum gibt, der Bombardierung der Moneda am 11. September 1973. Im Folgenden wechseln sich verschiedene Kamera-Blickwinkel auf beide Ereignisse miteinander ab, schliesslich ueberlagert von Einstellungen der Totale zweier nackter, sich liebender Körper (aus Hiroshima mon Amour).
Der Wechsel zwischen Bildern der Zerstörung und Bildern der sich liebenden Koerper geschieht immer in Überlagerungen, wohingegen der Wechsel zwischen Bildern beider Tragödien immer mit wipes geschieht, in Folgen von Kompression und Dekompression der Bilder.
Diese Mechanismen der Montage etablieren unterschiedliche zeitliche Ebenen: wenn einige der Bilder auf konstante Weise darum ringen die Vorherrschaft über andere zu erlangen, tauchen die Bilder der Körper ununterschiedlich über die eine wie die andere Tragödie auf, nahezu als wäre es ihnen egal. Wie in Hiroshima mon Amour mischt sich Eros mit Leid und Sterben: die Haut als gleichzeitiger Ort extremer Lust und extremen Schmerzes.
Es stimmt, dass ich nicht nur eine Annäherung an die Mechanismen der Erinnerung realisiere, sonder mich auch auf einen der Grundpfeiler, mit denen jede Art einer kinematografischen Realisierung funktioniert, beziehe, indem ich diese Art von Bildern (Tragödie und Eros) zusammenbringe: die Faszination fuer das Bild an sich.
Auch wenn es paradox klingen mag, oder vielleicht, weil es so ist: diese Faszination für das Bild ist nicht nur mit Bildern der Lust verbunden, wir finden die Schönheit auch in der Zerstörung. Selbstverständlich spielt das ralentí eine fundamentale Rolle in der Fabrikation dieser aesthetischen Bewertung, ebenso wie die Spannung, die – durch die Wiederholung und die zusammengesetzen Überlagerungen - zwischen beiden Arten von Bildern so unterschiedlicher Natur entsteht.
Manchmal ist es notwendig, von den moralischen Topoi zu abstrahieren, um sich den Grundlagen eines Werkes annähern zu können. Es ist nicht umsonst zu bemerken, dass die Faszination, sowie die Überschreitung, durch die dahinterliegende Interdiktion determiniert ist, die unser Verhalten reguliert, um so nicht aus der sogenannten “Welt-Ordnung” herauszufallen.
Schliesslich, und obwohl diese Diskussion dern Rahmen dieser Arbeit überschreitet, erscheint es mir wichtig zu erwähnen, um Baudrillard zu parafrasieren, dass es “die Taktik des terroristischen Modells ist, einen Exzess an Realitaet zu produzieren, und zu erreichen, dass das System sich diesem Exzess an Realitaet unterwirft [...] ; niemals das System mit gleichen Waffen anzugreifen [...]. Der Kampf verlagert sich durch die Erschaffung eines hyperrealen Bildes in die Sphaere des Symbolischen” .
Es ist genau dort, in der Produktion dieses Exzesses an Realitaet, wo sich das Reale und die Fiktion nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Durch die Eifersucht, die das Reale auf das Fiktionale besitzt, weiterhin Baudrillard folgend, produziert das Reale ein “Hyper-Bild”, ein unzugängliches Bild, welches aus den entzifferbaren Codici herausfällt, und in gewisser Weise die Referenzen, die ihnen vorangingen, aufhebt, die Etablierung von klaren Regeln verhindert, uns überschreitet. Es ist genau diese Unmöglichkeit des Behaltens, die, genau wie physische Unmoeglichkeit, ein Bild zu erhalten, unsere Faszination bewirkt, die gleiche in der die Effekte der Attentate liegt.
die Blockierung, die absolute Negation, die im Vergessen mündet – ohne Zweifel durch die ermüdende Wiederholung der Bilder unterstützt, die am Ende in eine Banalisierung der Ereignisse mündet, oder
der kontinuierliche Versuch, zu verstehen, der Versuch der Aneignung, auch wenn es unmöglich ist, auch wenn es ein unnützes Ritual sein mag, die Dinge an unsere Maßstäbe anzupassen, sie in den Fundus unserer Erfahrungen einzureihen
Zwischen dieser Dichotomie fluktuieren wir, genau dort können wir einen nicht-bewohnbaren Ort bewohnen, zwischen Schichten, in denen wir versuchen zu erkennen, ob es Teil der Vergangenheit oder der Gegenwart ist, in dieser Unmöglichkeit der Definition, in der es eine Form angenommen hat, eine Handlung, eine immer fluktuierende Struktur, mit der sich vielleicht eine Architektur des Erinnerns aufbauen lässt.